Rhinitis allergica und Desensibilisierung

Diagnostik

Tabelle 1: Primäre, sekundäre Symptome und Komorbiditäten

Primäre Symptome

Sekundäre Symptome

Komorbidität

•      Niesen

•      Juckreiz

•      Sekretion

•      Nasale Obstruktion

•      Husten

•     Halsschmerzen

•     Lidödeme

•     Mundatmung/Dyspnoe

•     Schlafstörungen

•     Nasale Hypersekretion

•      Konjunktivitis

•      Sinusitis

•      Asthma

•      Atopisches Ekzem

•      Nahrungsmittel-Kreuzallergie

•      Rez. Paukenerguss

•      Gedeihstörung

•      Eingeschränkte Leistungsfähigkeit

  • Persönliche und familiäre Anamnese für atopische Erkrankungen
    –> Atopiezeichen (z. B. juckende, trockene Haut oder eine Ausdünnung der seitlichen Augenbrauen, Ekzeme in den Ellenbeugen, Dennie-Morgan-Falte)?
  • Allergenexposition
  • Art und Schwere der Symptome
    –> Einschränkung der Lebensqualität, der Arbeits- und Lernfähigkeit (Fehltage) dokumentieren
  • Zeitlich
    • Saisonale oder perenniale Beschwerden?
      In welchen Monaten bestehen die Beschwerden; zu welcher Tageszeit z. B. immer am Morgen nach dem Aufwachen suggestiv für Milbenallergie?
    • Wie lange bestehen die Beschwerden bereits?
  • Medikamentenanamnese (bisherige Therapie der AR)
  • Voraussetzung für die Diagnose einer AR ist neben der klinischen Symptomatik der Nachweis einer immunologischen Sensibilisierung, welche zur klinischen Symptomatik passend ist.
    Pollendaten Schweiz (Echtzeit)
  • Es ist oft nicht erforderlich, auf Allergen-spezifische IgE zu testen (mittels Prick-Test oder Bluttest), um die Verdachtsdiagnose einer allergischen Rhinitis zu stellen. Ist eine klinische Diagnose wahrscheinlich –> empirische Behandlung
  • Eine allergologische Abklärung mittels Prick-Test (oder Bluttest) ist stets indiziert, wenn eine Desensibilisierung gewünscht wird
  • In der Regel ist eine alleinige Testung mittels Prick-Test ausreichend; selten braucht es beide Tests kombiniert
  • Sind weder Prick-Test noch Serologie positiv, obwohl die Anamnese eindeutig scheint
    –> Provokationstest

Hautpricktest
Indikationen

  • Klinisch unklare Diagnose
  • Unbefriedigendes Ansprechen auf die empirische Therapie
  • Koexistierendes Asthma oder rezidivierende Otitis/Sinusitis
  • Geplante Desensibilisierung

Vorgehen

  • Prick-Hauttests können das ganze Jahr über durchgeführt werden, auch während der Pollensaison
  • Absetzen von Antihistaminika mindestens 3 Tage vor dem Pricktest
  • Auch andere Medikamente wie Antidepressiva oder Neuroleptika können den Prick-Test unterdrücken. Um das Funktionieren des Prick-Tests zu bestätigen, wird daher auf jeden Fall immer eine Positiv- und Negativkontrolle mitgemacht, so dass diese Medikamente nicht abgesetzt werden, wenn die Kontrolle positiv ausfällt
  • Orale Steroide müssen nicht abgesetzt werden

Bestimmung allergenspezifischer IgE (Serologie)

Indikationen

  • Indikation für Desensibilisierung gegeben
  • Bei unklarem Prick-Test –> IgE-Tests sollten dann im Regelfall nur auf die positiv getesteten Prick-Befunde erfolgen
  • Bei extensiver Hauterkrankung
  • Bei Patienten, die Antihistaminika oder andere interferierende Medikamente nicht absetzen können
  • Bei Patienten mit hohem Risiko für schwere allergische Reaktionen
  • In folgenden Situationen sollte der gesamte nachfolgende Allergen-Block (Komponenten-basierte Allergen-Diagnostik) getestet werden (Tabelle)
    • Wenn der Prick-Test als Initial-Diagnostik nicht verfügbar ist
    • Wenn alle Prick-Tests negativ sind, klinisch jedoch der Verdacht auf eine Allergie besteht

Tabelle: Standard-IgE-Tests in der Hausarztpraxis

Bet v1

Birke; Hasel, Erle, Buche, Eiche, Kastanie u. a.

Bet v2

Panallergen

Ole e1

Esche

Phl p1/5

Gräser

Amb a1, Art v1

Kräuter

Der p1, Der p2

Milben

Mx2

Schimmelpilze

Therapie/Prävention

  • Grundsätzlich stehen Allergenvermeidung (Prävention), medikamentöse Therapie zur Symptomkontrolle und bei Bedarf die Desensibilisierung zur Verfügung
  • Zeit draussen minimieren, dabei Pollenberichte beachten –> Pollendaten Schweiz (Echtzeit)
  • Fenster schliessen
  • Duschen/Haare waschen, bevor man ins Bett geht
  • Nasenduschen mit Salzspülungen (z. B. Emser oder Meersalz oder Kochsalz) nach Exposition draussen
  • Draussen Sonnenbrille tragen
  • Milbendichte Schutzbezüge für die Matratze und Bettwäsche bei bestätigter Milbenallergie
    (–> aha! Allergiezentrum Schweiz)

Kortison-Nasenspray

  • Es gibt verschiedene Wirkstoffe (Budesonid, Fluticason, Mometason), teilweise auch in Kombination mit Antihistaminika (Azelastin + Fluticason)
  • Ist in Kombination mit Salzspülungen der Nase die effektivste Therapie, wenn sie als Dauertherapie verwendet wird
  • Dosierung: 2 x tgl. Salzspülungen. Akuttherapie Beginn mit Maximaldosis gemäss Compendium, danach Reduktion auf die mindestwirksame Dosis je nach Präparat
    1–2 x tgl. 1 Hub in jedes Nasenloch; < 12 Jahren 1 x tgl. 1 Hub in jedes Nasenloch
  • Nebenwirkungen (NW): Austrockung der Schleimhäute, Nasenbluten. Therapie der NW:
    1 x tgl. Nasensalbe (z. B. Bepanthen® oder Nasensalbe Rüedi®)

Antihistaminika

  • Geeignet sind sich alle Antihistaminika, die spezifisch H1-Rezeptoren blockieren
    Cetirizin (Zyrtec®, Generika)
    Loratadin (Claritine®, Generika)
    Fexofenadin (Tekfast®, Telfast Allergo®, Generika)
    Bilastin (Bilaxten®, Generika)
    Desloratidin (Aerius®, Generika)
    Levocetirizin (Xyzal®, Generika)

Augentropfen mit Antihistaminika oder Mastzellstabilisatoren

  • 2–4 x tgl. 1 Tropfen in jedes Auge, fix für die Pollensaison (ganzjährig bei perennialer AR) oder bei Bedarf (z. B. Livostin Tropfen®) und Livostin Nasenspray® zusätzlich über den Tag verteilt, sollten topische Steroide und orale Antihistaminika nicht ausreichen (insbesondere in der Aufdosierungszeit)
  • Desensibilisierung ist die einzige kausale Therapie
  • Indikation zur Desensibilisierung setzt allergologische Abklärung voraus
  • Therapieformen: Subkutane Immuntherapie (SCIT) und sublinguale Immuntherapie (SLIT). Bei mehr als 2 Allergenen und/oder manifestem Asthma geht die Empfehlung eher zu SCIT, Entscheid grundsätzlich gemeinsam mit Patienten

Voraussetzungen/Indikationen für Desensibilisierung

  • Symptome trotz medikamentöser Therapie bzw. Massnahmen zur Allergenkarenz. Mindestens 3 Jahre (Saisonen) bestehende Beschwerden; bei Hochrisiko-Kindern (Eltern haben auch AR) schon nach 1 Saison/Jahr
  • Asthma allergicum
  • Nachgewiesene klinisch relevante Sensibilisierung
  • Patient wünscht eine Desensibilisierung
  • Es gibt kein Mindest- oder Höchstalter. Aber: Bei Kindern erst dann eine Desensibilisierung durchführen, wenn das Kind dazu bereit/in der Lage ist
  • Wichtig: Während der Desensibilisierung darf und soll die symptomatische Therapie unverändert fortgesetzt werden!

Kontraindikationen

  • Beginn der Desensibilisierung in der Schwangerschaft
  • Ansonsten gibt es keine absoluten Kontraindikationen

Besondere Situationen

Schwangerschaft

  • In der Aufdosierungsphase soll die Desensibilisierung gestoppt werden (Ausnahme: Bienen/Wespengift-Desensibilisierung in schweren Fällen)

Asthma

  • Asthmatiker mit leichtem bis mittelgradigem Asthma können desensibilisiert werden. Grundsätzlich sollte vor Desensibilisierung immer auf Asthma abgeklärt werden. Eine gute Einstellung ist vor/während der Desensibilisierung Voraussetzung (FEV1 > 70 %)
  • SCIT kann jederzeit gestartet werden, auch während der Pollensaison
  • Aufdosierungsphase: Injektionen in steigender Dosierung – in der Regel alle 7 Tage (Intervalle können bis auf 14 Tage ausgedehnt, aber nicht verkürzt werden) bis zur Maximaldosierung
  • Grundsätzlich erfolgen die Injektions-Intervalle immer gemäss der Fachinformation
  • Es können mehrere Präparate zeitgleich injiziert werden, ohne zeitlichen Abstand
  • Nach der Injektion sollen die Patienten 30 Minuten zur Überwachung in der Praxis bleiben
  • Bei grösseren Injektionsabständen während der Aufdosierung oder der Erhaltungstherapie
    –> wie im Compendium angegeben
  • Bei Fieber oder Infekten: Injektionspause, bis das Fieber abgeklungen ist. Ein banaler Schnupfen ist keine Kontraindikation gegen eine Desensibilisierung

Nebenwirkungen

  • Vor Beginn jeder Desensibilisierung Aufklärung über mögliche allergische Reaktionsformen und Abgabe eines Notfallsets (am besten als Schlüsselanhänger) mit je nach Körpergewicht angepasstem Antihistaminikum und Prednisolon oral

Lokale Reaktionen

  • Lokale Nebenwirkungen sind kein Grund die Behandlung abzubrechen
  • Lokale Reaktionen müssen nicht jedes Mal gleich ausgeprägt sein und sind nicht unbedingt dosisabhängig
  • Es besteht kein erhöhtes Risiko für systemische Reaktionen

Therapie

  • Kühlung (lokal)
  • Antihistaminika: Z. B. 1–2 Tabletten 30 Minuten vor SCIT einnehmen
  • Präparat wechseln (selten nötig)

Systemische Reaktionen

Behandlung wie eine Anaphylaxie –> Notfalltherapie 

  • Desensibilisierung muss aber nicht gestoppt werden
  • Es soll die gleiche Dosis wie bei vorangegangener Sitzung gewählt werden (Dosisreduktion nur bei schwerer systemischer Reaktion)
  • 30–60 min vor nächster planmässiger Injektion Anthistaminikum (Tbl.) einnehmen
  • Ersteinnahme der Tablette soll in der Arztpraxis erfolgen mit 30 min Überwachung
  • Bei mehreren Präparaten gestaffelte Erstgabe im Abstand von jeweils 1 Monat
  • Mehr als 2 Präparate werden für SLIT nicht empfohlen
  • Tablette 1 Minute nicht schlucken, danach 5 Minuten nicht essen oder trinken
  • Tageszeit spielt keine Rolle, aber sollte immer etwa zur gleichen Tageszeit eingenommen werden
  • Bei mehreren Präparaten mindesten 5 Minuten Abstand zwischen den einzelnen Tabletten
  • Therapieunterbruch: Echtes Fieber > 38,5 °C (für die Dauer des Fiebers), offene Wunden/Operationen in der Mundhöhle
  • Danach mindestens 3 Jahre lang jeden Tag eine Tbl. unter die Zunge legen
  • Beachte: Lokalreaktionen können nicht nur bei der ersten Einnahme auftreten, sondern selbst noch nach 2 Jahren

Nebenwirkungen

  • In den ersten Wochen (selten auch Monaten) können allergische Symptome auftreten (Kribbeln im Mund, Schwellung, Unwohlsein). Antihistaminika können auch immer dazu eingenommen werden

Verlaufskontrolle

  • Initial kurz vor Ende der ersten Packung zur Überprüfung der Compliance und Verträglichkeit, danach mindestens 1 x/Jahr durch Arzt

Vollversion

Autoren: Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 09/2024

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