Osteoporose

Diagnostik

  • Bei Vorliegen oder dem Verdacht auf eine manifeste Osteoporose
  • Niedrigtraumatische Frakturen
  • Verlust an Körpergrösse (Angabe in cm oder Tannenbaumphänomen der Haut)
  • Zunehmender Rundrücken
  • Akute oder chronische Rückenschmerzen, wenn keine andere Erklärung naheliegend
  • Bei Personen mit Risikofaktoren, die mit einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert sind (Personen > 65 J.)
  • Die Evaluation des 10-Jahres-Frakturrisikos erfolgt nach FRAX© (Schweiz). Für die Berechnung ist eine Densitometrie nicht zwingend notwendig, sie erhöht aber die Aussagekraft des Risikoscores –> FRAX® Schweiz
  • Tipp: Tool mit differenziertem Ansatz (etwas zeitintensiver, aber man erhält eine direkte Empfehlung) –> Osteorheuma.ch

Anamnese

  • Erhebung von Osteoporose-RF und Überprüfung, welche davon beseitigt/gemindert werden können
  • Sturz-Risikoabklärung: Sturzanamnese, Medikation, Ernährung, Kognition, Orthostase (auch medikamentös), Visus, Mobilität, Kraft, Gang und Gleichgewicht, Schuhe, Ausdauer, Umgebung/Soziales

Tabelle: Risikofaktoren für Osteoporose

Klinischer Befund

  • Körpergrösse, -gewicht (Körpergrössenverlust > 3–4 cm ist ein Hinweis auf Osteoporose)
  • Hinweise auf sekundäre Osteoporose, Malignom
  • Sturzrisiko ermitteln: Timed-up-and-go-Test, Chair-rising-Test bei eingeschränkter Kraft oder Koordination
  • BWS und LWS a/p und seitlich auf Wirbelkörperfrakturen. Für die Diagnose einer manifesten Osteoporose sind röntgenologisch nachgewiesene Wirbelfrakturen erforderlich
    Beachte: Frische Wirbelkörpereinbrüche sind röntgenologisch oft nicht eindeutig nachweisbar
  • Skelettszintigraphie bei Verdacht auf Malignom (bei V. a. Multiples Myelom zuerst CT)

Methode: DXA (Doppel-Energie-Röntgen-Absorptionsmethode)

Messorte: Im Bereich der LWS, wobei im höheren Alter infolge degenerativer Veränderungen falsch hohe Werte resultieren können. Dies muss in der Beurteilung berücksichtigt werden, weshalb die Messung auf Höhe L1 bis L4 erfolgt und extrapoliert wird

Bewertung

  • Osteopenie: BMD 1–2,5 SD unterhalb des T-Score-Mittelwertes
  • Osteoporose: BMD < –2,5 SD unterhalb des T-Score-Mittelwertes
    Beachte: Eine geringe Knochendichte ist für sich allein keine Indikation zur spezifischen Arzneimitteltherapie!

Indikation Densitometrie

mediX empfiehlt die Durchführung einer Densitometrie

Ohne Frakturereignis

  • Kein allgemeines Screening (s. a. mediX GL Check-up), stattdessen „Case finding“ bei Frauen ab dem 65. Lebensjahr. Eine Indikation zur Densitometrie besteht, wenn das altersangepasste 10-Jahres-Frakturrisiko in der FRAX®-Berechnung (ohne Densitometrie) über der in Tabelle 1 angegebenen %-Schwelle liegt (s. Abschnitt Medikamentöse Therapie/Therapieindikation)
  • Dauersteroidtherapie (> 7,5 mg Prednison-Äquivalent ≥ 3 Monate).
    Beachte: Hier schon Behandlung ab T-Score –1,5 empfohlen!

Bei Frakturereignis

  • Ermüdungsfrakturen, die nicht durch exzessive Aktivität erklärt werden können (das gilt nicht für Frauen < 65 J., die keine Risikofaktoren aufweisen)
  • Frakturen nach inadäquaten Traumata oder spontane Wirbelkörperfrakturen
  • Familiäre Osteoporose
  • Essstörung (keine Kassenpflicht)
    Hinweis: Bei Männern wird keine routinemässige Densitometrie empfohlen. Bei Männern mit Risikofaktoren – z. B. Verlust an Körpergrösse > 3–4 cm, Langzeittherapie mit Steroiden, Hypogonadismus, primärer Hyperparathyreoidismus, Androgendeprivationstherapie bei Prostata-Ca – sollte jedoch eine FRAX©-Berechnung (+/- Densitometrie) erfolgen

 Densitometrie-Kontrollen

  • Bei Frauen ≥ 70 J. mit normaler DEXA: Keine weiteren Kontrolluntersuchungen erforderlich, ausser bei neu aufgetretenen Konstellationen, z. B. orale Steroidtherapie
  • Bei Frauen mit fortgeschrittener Osteopenie (T-Score –1,5 bis –2,0) und weiter bestehenden RF: Kontrolle nach 5 Jahren
    Beachte: Bei einer laufenden spezifischen Therapie ist der Nutzen von Kontrollmessungen der Knochendichte nicht belegt

Knochendichtemessung und Grundversicherung

Kostenübernahme für DXA in einer Körperregion und nur bei folgenden Indikationen

  • Klinisch manifeste Osteoporose
  • Knochenbruch bei inadäquatem Trauma
  • Langzeit-Kortikosteroidtherapie
  • Hypogonadismus
  • Gastrointestinale Erkrankungen
  • Primärer Hyperparathyreoidismus (sofern keine klare Operationsindikation besteht)
  • Osteogenesis imperfecta
  • Therapiekontrolle alle 2 Jahre (obwohl kein Nutzen belegt ist)

Indikation

Bei gesicherter Osteoporose (Fraktur oder nach pathol. DXA) zum Ausschluss/Nachweis     sekundärer Formen

  • Serum-Calcium, Serum-Phosphat (nur falls Ca erhöht/erniedrigt: Parathormon und Vitamin D)
  • Blutbild, CRP, Serum-Eiweisselektrophorese
  • Alkalische Phosphatase (AP), Gamma-GT (GGT)
  • Kreatinin und eGFR
  • TSH

Medikamentöse Therapie

Behandlungsempfehlung in Abhängigkeit vom Frakturrisiko

  • Prävalente osteoporotische-Fraktur –> spezifische medikamentöse Therapie
  • Periphere Fraktur nach Bagatelltrauma –> Bestimmung Frakturrisiko nach FRAX® oder
    T-Score ≤ –2
  • Ohne Fraktur –> Altersadaptierte Interventionsschwelle (Tabelle)

Tabelle: Risikoscore FRAX©: Alter, Frakturrisiko und Interventionsschwelle

Beachte: Vor Einleitung einer Behandlung –> Densitometrie!

Grundsätze

  • Individuell angepasst an das Alter, das Risiko und an Begleiterkrankungen
  • Antiresorptive Therapie –> Bisphosphonate, Denosumab (Prolia®)
  • Anabole Therapie (bone remodelling) –> Teriparatid (Forsteo®), Romosozumab (Evenity®)
  • Beachte: Zusätzlich zu Osteoporosemedikamenten immer Calcium/Vitamin D3 verordnen!

1. Bisphosphonate

Generelles

  • Haben als einzige medikamentöse Therapie eine Langzeitwirkung
  • Alle Vertreter haben eine gute Wirkung auf alle Arten von Frakturen; Ausnahme: Ibandronat ohne Wirksamkeitsnachweis bezüglich Hüftfrakturen
  • Für Frauen und Männer zugelassen
  • Nicht bei GFR < 30 ml/min/1,73m2
  • Oral: Geringe Bioverfügbarkeit
  • Aufklärung der Patientinnen über die korrekte Tabletteneinnahme

Wirksamkeit

Nebenwirkungen

  • Kiefer-Osteonekrose: Inzidenz 0,001–0,01 % (bei onkologischen Patienten ist das Risiko wesentlich höher, da hohe Dosen, Inzidenz 1–15 %) (25). Patientinnen mit bekannten Zahnproblemen müssen vor Therapiebeginn zahnärztlich abgeklärt werden. Zahnchirurgische Eingriffe sollten vor Therapiebeginn stattfinden (16, 25), da z. B. invasivere Behandlungen wie Implantate unter Bisphosphonaten und Denosumab nicht einheilen
  • Selten (3–50/100’000 Patientenjahre) atypische Femurfrakturen. Bei akut auftretenden Schmerzen in Leiste/Oberschenkel daran denken und Röntgen veranlassen!

Kosten

  • Alendronat (Alendronat® Helvepharm; Fosamax®) 70 mg/Woche (CHF 430.–/J.)
  • Risedronat (Actonel®) 35 mg/Woche (CHF 360.–/J.)
  • Zoledronat (Aclasta®, Generika): 5 mg/J. i.v. (CHF 310.–/J., ohne MPA-Kosten). Kurzinfusion 1 x/J.; bei erstmaliger Gabe ev. prophylaktisch ein NSAR oder Paracetamol zur Vermeidung von Myalgien und Fieber für 2–3 d geben. Patienten müssen auch gut hydriert sein (Crea-Clearance muss > 35 ml/min sein)
  • Ibandronat (Bonviva®, Generika): 3-Monats-Spritze i.v. (CHF 260.–/J., ohne MPA-Kosten) oder 1 Monatstablette (CHF 344.–/J.)

 

2. Denosumab (Prolia®)

Generelles

  • Humaner monoklonaler Antikörper gegen RANK*-Liganden (RANKL) gerichtet, der die Knochenresorption hemmt. So wirksam wie Bisphosphonate, möglich auch bei Niereninsuffizienz. Anwendung: Subkutane Injektion von 60 mg Denosumab alle 6 Monate

    * RANK = Receptor Activator of Nuclear Factor Kappa B

  • Beachte: Nach Absetzen von Denosumab muss für mindestens 12–24 Monate eine Behandlung mit einem Bisphosphonat erfolgen!

Wirksamkeit

Nebenwirkungen

  • Kiefer-Osteonekrose, atypische Femurfrakturen (Häufigkeit wie bei Bisphosphonaten), Hypocalcämie (vor Therapiebeginn muss eine Hypocalcämie ausgeschlossen werden!), Hautreaktionen, Infektionen

Therapiedauer

  • 4–5 Jahre, anschliessend überprüfen –> individuell ist eine Fortsetzung bis zu 10 Jahren möglich

Kosten

  • CHF 600.–/ J.

3. Raloxifen (Evista®)

Generelles

  • Selektiver Östrogenrezeptor-Modulator (SERM), weniger wirksam als Bisphosphonate oder Denosumab. Nur Wirkung auf Wirbelfrakturen! Bereits zur Prophylaxe zugelassen und von KK bezahlt (ab einem T- Score von < –1,0). Option nur für postmenopausale Frauen

Wirksamkeit

  • Number needed to treat (NNT): NNT/3 Jahre: 16 (bei vorbestehender osteoporotischer Fraktur); NNT/3 Jahre: 46 (bei Osteoporose ohne vorbestehende Fraktur) –> Einzelheiten s. MORE-Studie

Nebenwirkungen

  • Menopausenbeschwerden, erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse (Number needed to harm, NNH: 160)
  • Raloxifen reduziert das Risiko Östrogenrezeptor-positiver Mammakarzinome

Therapiedauer

  • Nutzennachweis bis zu 8 Jahren

Kosten

  • CHF 420.–/Jahr

4. Östrogene

Generelles

  • Günstig, gute Wirkung auf alle Arten von Frakturen; sinnvoll, wenn auch starke Menopausebeschwerden bestehen
  • Zur Osteoporose-Prophylaxe zugelassen sind Kombinationspräparate (z. B. Estrogen plus Dihydrogesteron/Norethisteron) und von KK bezahlt (ab einem T-Score von < –1,0)
  • Knochenverlust nach Absetzen: Die Studien zeigen inkonsistente Ergebnisse, ein gravierendes Absinken der Knochendichte ist i. d. R. nicht zu erwarten

Wirksamkeit

  • Number needed to treat (NNT) –> ähnliche Wirksamkeit wie Bisphosphonate

Nebenwirkungen

  • Thromboembolien, Risiko für Mamma-Ca steigt

Therapiedauer

  • Zwischen 50. und 60. Lebensjahr bzw. solange eine Indikation wegen Menopausebeschwerden besteht

Kosten

  • CHF 110,–/Jahr

5. Teriparatid (Forsteo®)

Generelles

  • Ist ein rekombinantes humanes Parathormon-Fragment mit osteoanaboler Wirkung
  • Die Indikationsstellung darf nur durch FachärztInnen (Endokrinologen, Rheumatologen) erfolgen. Second-Line-Therapie bei Versagen oder Unverträglichkeit der Antiresorptiva und in Spezialfällen

Wirksamkeit

  • Im Direktvergleich mit Risedronat senkt Teriparatid das Risiko für vertebrale Frakturen bei postmenopausalen Patientinnen mit schwerer Osteoporose signfikant (Vero-Studie). Eine Wirkung auf nicht vertebrale Frakturen ist nicht eindeutig nachgewiesen. Number needed to treat (NNT): 11–25

Nebenwirkungen

  • Gliederschmerzen (sehr häufig), Depression, Anämie, Myalgie, Arthralgie, Harndrang, Tachykardie, Emphysem (häufig) u. a.
  • Kontraindikationen: Hypercalcämie, Schwangerschaft, schwere Niereninsuffizienz, metabolische Knochenkrankheiten, ungeklärte Erhöhung der Alk. Phosphatase, vorausgegangene Strahlenbehandlung, maligne Skeletterkrankungen

Therapiedauer

  • 2 Jahre. Nach Absetzen fällt die Mineraldichte schnell wieder ab (–> Anschlusstherapie mit BP oder Denusomab)

Kosten

  • CHF 5‘400.–/Jahr

6. Romosozumab (Evenity®)

Generelles

  • Ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der zu verstärktem Knochenaufbau führt und den Knochenabbau hemmt (–> verringerter Knochenumsatz)
  • Die Indikationsstellung darf nur durch FachärztInnen (Endokrinologen, Rheumatologen) erfolgen

Wirksamkeit

  • In der ARCH-Studie reduzierte Romosozumab das Risiko klinischer Frakturen im Vergleich zu Alendronsäure nach 12 Monaten (3,9 vs. 5,4 %) und nach 33 Monaten (9,7 vs. 13,0 %). Der Zusatznutzen der neuen Therapie ist umstritten (-> AkdÄ)
    Number needed to treat (NNT/Jahr): 77 (Verhinderung gescreenter Frakturen – vertebral und nicht vertebral –> Einzelheiten s. FRAME-Studie; NNT: 26 (verhinderte Wirbelfrakturen im Vergleich mit Alendronattherapie –> Einzelheiten s. ARCH-Studie

Nebenwirkungen

  • Nasopharyngitis, Arthralgien (sehr häufig), Überempfindlichkeitsreaktionen, Sinusitis, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe (häufig)
  • Beachte: Kontraindiziert bei Patientinnen nach Herzinfarkt und Schlaganfall. Auch bei Patientinnen mit bereits bestehenden kv Risikofaktoren und Immunkompromittierten nicht indiziert

Therapiedauer

  • 1 Jahr; anschliessend Rebound-Effekt –> Umstellung auf Denosumab oder BP

Kosten

  • CHF 11‘350.–/Jahr (!)

 Therapiewahl bei Patientinnen mit moderatem und hohem Risiko

1. Wahl

  • Bisphosphonate (v. a. Alendronat, Risedronat)

2. Wahl

  • Denosumab bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation von/für Bisphosphonate. Nur für ältere Patienten –> Begründung: Sind Bisphosphonate kontraindiziert, kann die Behandlung nur mit Denosumab (oder Teriparatid) weitergeführt werden. Es erscheint aber nicht ratsam, dies über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahre zu tun
  • Raloxifen (bei jüngeren Frauen postmenopausal)

Bei Therapieversagen

  • Teriparatid ist eine Option, nach 2 Jahren müsste aber erneut umgestellt werden. Wegen möglicher Rebound-Effekte –> Zuweisung Facharzt/Fachärztin

Schmerzhafte Wirbelkörperfrakturen

  • Bisphosphonate wirken erst nach 3–6 Monaten (etwas) schmerzreduzierend
  • Calcitonin 200 IU nasal ist rascher wirksam. Therapiedauer: 2–4 Wochen
    Hinweis: Keine Langzeitanwendung von Calcitonin bei Männern wegen erhöhtem Prostatakarzinomrisiko

Prävention

Grundsätzlich sollen alle Frauen über die Primärprävention informiert sein

  • Ausreichende Calciumeinnahme (1‘000 mg/d, Rheumaliga: Calciumrechner)
  • Vitamin D 800 IE/d nur bei Risikokonstellationen (–> mediX GL Vitamin-D-Mangel), ausserdem ausreichend hohe Proteineinnahme
  • Körperliche Bewegung mit Einsatz des Körpergewichts
  • Nikotinabstinenz
  • Mässigung beim Alkoholkonsum
  • Information über Vermeidung von Stürzen –> stoppsturz.ch, Rheumaliga (Sturzprävention)
  • Vorsicht beim Verordnen von Sedativa

Vollversion

Autoren: Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 07/2022

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