Harnwegsinfekte Erwachsene

Diagnostik

Anamnese

  • Bei typischer Klinik – Dysurie und Pollakisurie ohne Ausfluss/vaginale Irritationen – ist ein akuter unkomplizierter HWI bei einer Frau sehr wahrscheinlich (> 90 %)
  • Die Behandlung kann bei einer erstmaligen unkomplizierten HWI ausschliesslich anhand der Anamnese erfolgen. Bei Rezidiv sind eine Urinkultur und eine erreger- und resistenzgerechte Therapie indiziert
  • Zusätzliche Symptome wie vaginale Irritationen oder Ausfluss reduzieren die Wahrscheinlichkeit eines HWI
  • Fieber, Schüttelfrost, Flanken-/Rückenschmerzen und/oder Nausea/Erbrechen lenken den Verdacht auf einen aufsteigenden Infekt
    • Bildgebende Untersuchung auf Abflusshindernis indiziert, je nach Allgemeinzustand und Vitalparameter, parenterale Antibiotika-Therapie in der Praxis initiieren und/oder Hospitalisation erwägen
  • Bei älteren (geriatrischen) Patientinnen und Patienten: Typische HWI-Symptome sind nicht immer klar zu erkennen. Unspezifische Beschwerden sind unklares Fieber bei Bauchschmerzen, Kontinenzprobleme oder Nykturie

Urin-Streifentest

  • Indikation: Immer bei unklarer Differentialdiagnose, aber auch routinemässiger Einsatz bei Verdacht auf HWI möglich
  • Ein negativer Urin-Streifentest schliesst bei typischer Klinik eine Infektion nicht aus, lenkt den Verdacht jedoch eher auf spezifische Erreger wie Chlamydien
  • Liegen HWI-Symptome und ein positiver Streifentest vor, kann bei erstmaligem HWI auf eine weitere Diagnostik verzichtet werden – ausser bei Hinweisen auf eine komplizierte oder aufsteigende HWI!

Urinkultur

  • Ist bei erstmaligem „typischem“ HWI bei Frauen nicht zwingend, bei Rezidiven jedoch immer notwendig

Indikation

In folgenden Situationen sollte immer eine Urinkultur (+ Antibiogramm) angelegt werden

  • Rezidivierende HWI
  • HWI in der Schwangerschaft
  • Pyelonephritis
  • Komplizierte HWI
  • HWI bei Männern
  • HWI nach vorheriger anderweitiger Antibiotikatherapie (in den zurückliegenden Wochen)
  • Bei uncharakteristischen Symptomen oder Symptompersistenz

Bewertung

  • Positive Urinkultur: ≥ 10Keime/ml bei asymptomatischer Patientin bzw. ≥ 10Keime/ml bei symptomatischer Patientin und 10Keimen/ml bei symptomatischem Patienten
  • Bei negativer Urinkultur und Leukozyturie sollen u. a. Urethritis, chronische Prostatitis, Kolpitis und urogenitale TB ausgeschlossen werden

Urinstatus/Urinsediment

  • Ist bei typischer Klinik nicht unbedingt erforderlich
  • Fehlender Nachweis von Leukozyten (< 10 Leukozyten pro Gesichtsfeld) schliesst eine HWI praktisch aus

Sonographie der Harnwege

  • Bei V. a. funktionelle oder anatomische Veränderungen, Urolithiasis, Pyelonephritis oder bei häufigen Rezidiven

Hämatogramm und CRP

Bei V. a. Pyelonephritis, V. a. komplizierte HWI oder V. a. Urosepsis

  • Anamnese: Akuter Krankheitsbeginn (Fieber, Unwohlsein), oftmals Prostata-Biopsie in den letzten 1–2 Wochen
  • Klinische Untersuchung inkl. Abdomen, urogenital, Prostata (Palpation der Prostata erlaubt; aber keine Prostata-Massage bei Verdacht auf akute Prostatitis); schmerzhafte Prostata bei rektaler Untersuchung
  • Mittelstrahl-Urin: Pyurie auf dem Teststreifen/Sediment
  • Urin-Kultur und Blutkultur abnehmen: Urinkultur gilt als positiv, wenn ≥ 10 Kolonien/ml mit einem uropathogenen Erreger; vereinbar mit einer Infektion, wenn ≥ 10 Kolonien/ml mit einem uropathogenen Errerger oder ≥ 10 Kolonien/ml von ≥ 2 uropathogenen Erregern. Für Patienten mit externen Kathetern: positiv bewertet, wenn ≥ 10 Kolonien/ml (auch wenn aus einem neu eingesetzten Katheter entnommen)
  • Screening auf sexuell übertragene Infektionen: Gonorrhö und Chlamydien bei Risikopatienten
  • Ultraschall (oder Bladder-Scan) bei Patienten mit schweren obstruktiven Symptomen, Blasenentleerungsstörungen, oder Klinik einer Harnretention
  • Transrektaler Ultraschall oder CT bei fehlendem Therapieansprechen

Krankheitsbilder und Therapie

Definition

  •  ≥ 105 Kolonien von einem oder mehreren uropathogenen Keim/ml; mit oder ohne Pyurie (≥ 10 Leukozyten/mm3)

Therapie

  • Ein Screening wird nur empfohlen bei Schwangeren mit Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Immunsuppression, funktionelle und strukturelle Pathologien der Harnwege, St. n. Pyelonephritis, St. n. Frühgeburt oder Spätabort
  • Eine asymptomatische Bakteriurie soll ansonsten weder gesucht noch behandelt werden, auch nicht bei älteren Frauen, Männern, Personen mit Diabetes mellitus, Personen mit Dauerkatheter oder bei St. n. Nierentransplantation

Symptomatische Therapie

  • Zurückhaltung mit Antibiotikagabe
  • Viel Flüssigkeit zur Prävention von Rezidiven
  • Bei Patienten ohne Pyelonephritis in der Vorgeschichte und kurzer Symptomdauer (< 5 Tage) kann zunächst symptomatisch behandelt werden

Antibiotika

1. Wahl

  • Nitrofurantoin (z. B. Furadantin®) 2 x 100 mg/d für 5 d. Hinweis: Orangefärbung des Urins.
    Nitrofurantoin sollte nur bei normaler Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance-Werte von > 60 ml/min) verabreicht werden
  • Fosfomycin (Monuril®) in Einmaldosis (1 x 3 g). Fosfomycin muss nüchtern eingenommen werden, 2 h nach oder 2 h vor der Mahlzeit oder bevorzugt am Abend nach Leeren der Blase

Hinweis: Nicht geeignet für Pyelonephritis und bei Schwangeren und Stillenden

2. Wahl

  • Cotrimoxazol = TMP-SMX (z. B. Bactrim forte®) 2 x 1 Tbl./d für 3 Tage. Längere Therapiedauer ohne Zusatznutzen, aber mit erhöhter NW-Rate (z. B. Allergie)

    Anmerkung: In Regionen mit E. coli-Resistenzraten > 20 % oder wenn die Patientin in den letzten 3 Monaten bereits TMP-SMX für die Behandlung einer Zystitis eingenommen hat, ist die Substanz nicht die 1. Wahl (–> www.anresis.ch)!

Nicht empfohlen

  • Betalaktame, Chinolone

 Frührezidiv (innert 14 Tagen nach AB-Therapie)

  • Anlegen einer Urinkultur und danach gezielter Antibiotikumwechsel oder Antibiotikumwechsel nach Asservieren des Urins und allenfalls spätere Kultur und Resistenz (Urin in Vacutainer kann für max. 2 Tage aufbewahrt werden)

Neuinfektion (nach > 14 Tagen)

  • Wie Erstinfektion behandeln, ev. Wechsel auf ein anderes Erstwahlantibiotikum (der frühere Einsatz von Antibiotika, v. a. Cotrimoxazol, kann die Resistenzrate erhöhen).
    Hinweis: Liegen keine prädisponierenden Faktoren vor, kann die Behandlung auch nach einer Selbstdiagnose erfolgen (drei-feldrige infektspezifische Comubur®-Streifentests)

Kontrolluntersuchungen

  • Nach einer akuten Zystitis ist in i. d. R. keine Nachkontrolle erforderlich. Dies gilt auch für Frauen mit gelegentlichen Reinfekten. Ausnahme ist die Schwangerschaft, dort werden Nachkontrollen mittels Urinkultur 1 Woche nach Therapieende empfohlen
  • Eine Urinkultur ist obligat
  • In der Schwangerschaft besteht bei symptomatischer und asymptomatischer Bakteriurie ein erhöhtes Risiko für eine Pyelonephritis und für Schwangerschaftskomplikationen

Definition

  • 3 oder mehr Infektionen/Jahr oder ≥ 2 Infektionen in den letzten 6 Monate

Therapie

  • Anlegen einer Urinkultur und danach gezielter resistenzgerechter Antibiotikumwechsel bzw. Therapiebeginn nach Abnahme einer Urinkultur

Prophylaxe

  • Immer antibiotische Therapie
  • Beachte: Eine komplizierte Pyelonephritis mit hohem Fieber, Schmerzen, Schwäche, Erbrechen, Dehydrierung und Unmöglichkeit einer oralen Therapie/Rehydrierung soll stationär behandelt werden. Ebenso eine Pyelonephritis in der Schwangerschaft (i.v.-Therapie notwendig)!

  • Bei Männern ohne neurogene Blasenstörung mit Dysurie/Pollakisurie, ohne Anhaltspunkte für eine Infektion ausserhalb der Blase, ohne Fieber und ohne anamnestische oder klinische Risikofaktoren kann von einem unkomplizierten HWI ausgegangen werden

Urethritis

Akute (unkomplizierte) Harnwegsinfektion ohne Hinweise auf Prostatitis oder Pyelonephritis

1. Wahl

  • TMP-SMX forte 2 x 1/d für 7 d bei afebrilen Patienten, 14 d bei febrilen Patienten

2. Wahl

  • Ciprofloxacin 2 x 500 mg/d, für 7 d bei afebrilen Patienten, 14 d bei febrilen Patienten

oder

  • Nitrofurantoin 2 x 100 mg/d für 7 d (off-label, eher für wenig kranke Patienten geeignet)

Akute Harnwegsinfektion mit möglicher Beteiligung der Prostata

1. Wahl

  • TMP-SMX forte 2 x 1/d
    • Für 2–3 Wochen bei V. a. akute Prostatitis
    • 4 (–6) Wochen bei V. a. chronische bakterielle Prostatitis

2. Wahl

  • Ciprofloxacin 2 x 500 mg/d p.o. für 2–3 Wochen

Unkomplizierte Pyelonephritis

1. Wahl

Stabiler Patient

  • Ciprofloxacin p.o. 500 mg alle 12 h für 7 d

Instabiler Patient oder Vorbehandlung mit Chinolon

  • Ceftriaxon i.v. 1g 1 x/d bis Antibiogramm vorhanden oder Gentamicin i.v. 5 mg/kg 1 x/d bis Antibiogramm vorhanden

2. Wahl

Stabiler Patient

  • Trimethoprim/Sulfamethoxazol 2 x 160/800 mg für 7–14 d

Akute (bakterielle) Prostatitis

Schwer kranker Patient

  • I. d.R. i.v. Therapie, stationär
  • Beginn mit empirischer Therapie (Co-Amoxi i.v. plus Gentamycin i.v.) bis Kulturresultat da ist

oder

  • Piperacillin-Tazobactam 3 x 4,5 g/d ggfls. Carbapenem bei V. a. ESBL (extended-spectrum Betalaktamase-bildenden E. coli)

 Klinisch stabiler Patient

1. Wahl

  • Wenn möglich Chinolone als empirische Therapie meiden, solange Mikrobiologie nicht vorliegt
  • Ceftriaxon i.v. 1 x 2 g/d bis Mikrobiologie vorliegt

2. Wahl

  • Ciprofloxacin 2 x 500 mg/d p.o. für 2–3 Wochen

 

  • Immer Kultur anlegen (bei einem nicht gefährlichen HWI kann der Urin auch für eine später notwendige Kultur und Resistenzprüfung asserviert werden)

Vollversion

Autoren: Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 12/2021

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