Proktologie

Proktologische Untersuchung

Wichtige Fragen bei der proktologischen Anamnese

  1. Schmerzen? Wann treten diese auf? Schmerzcharakter, Dauer, Verlauf?
  2. Blut- und/oder Schleimabgang?
  3. Juckreiz?
  4. Stuhlanamnese (Konsistenz, Farbe, Frequenz), Fremdkörpergefühl? Prolaps? Obstipation? Inkontinenz? Einlagen notwendig?
  5. Vorgeschichte (Operationen, Geburten, Koloskopien), Familienanamnese (Chronisch entzündliche Darmerkrankung [CED], Karzinome)
  6. Sexualanamnese, STD, anale Manipulation
  • Die proktologische Untersuchung erfolgt in Seitenlage
  • Befunde werden nach dem Uhrzeit-System beschrieben

Inspektion

  • Hautbeurteilung, Marisken, Perianalvenenthrombosen, Hämorrhoiden, Fissuren, Fisteln, Stuhlverschmutzung, klaffender Sphinkter, Prolaps, Pori, Tumor, Abszesse

Palpation (wenn möglich)

  • Tumor, Prostata, Stuhl, Schmerzen, Sphinkter: Tonus, Grösse, Symmetrie, Lücke

Proktoskopie

  • Hämorrhoiden, Proktitis, Condylomata

Hämorrhoidalleiden

  • Beschwerden sind unspezifisch und hängen nicht vom Schweregrad der Hämorrhoiden ab. Im Zusammenhang mit Hämorrhoidalleiden werden (hellrote) Blutung, analer Gewebeprolaps, Nässen, Stuhlschmieren und Juckreiz beklagt

Merke

  • Hämorrhoiden bluten, jedoch selten!
  • Defäkationsschmerz weist eher auf eine Fissur hin
  • Eine schmerzhafte Schwellung am Anus ist meist eine Perianalvenenthrombose
  • Anamnese
    • Akuität (plötzlich aufgetretene schmerzhafte Schwellung –> DD: Analthrombose)
    • Schmerz bei Defäkation (–> DD: Analfissur)
    • Aggravationsfaktoren (Diarrhö, Obstipation, lange Sitzungsdauer, Schwangerschaft, Reise)
    • Inkontinenz, Ausfluss (rezeptiver Analverkehr: DD Gonokokken-, Chlamydienproktitis; CED)
  • Proktologische Untersuchung (Inspektion, digital rektale Untersuchung, ev. Proktoskopie, ev. Inspektion der Analregion des hockenden und pressenden Patienten)
    • Marisken?
    • Ekzem?
    • Perianalvenenthrombose?
    • Hämorrhoidalprolaps?
    • Analprolaps, Rektumprolaps? (Ggfls. Untersuchung des hockenden und pressenden Patienten)
    • Typischerweise dorsal gelegene Analfissur?
    • Sphinktertonus bei digital rektaler Untersuchung in Ruhe und beim Pressen, Kontinenz?
    • Koloskopie: Bei red flags in der Anamnese (Lebensalter, für Malignom oder chronisch entzündliche Darmerkrankung suspekte persönliche oder Familienanamnese, Unverhältnismässigkeit von Symptomen und Befunden)
  • Richtet sich nach dem Leidensdruck und dem Grad des Hämorrhoidalleidens
  • Bei persistierenden/rezidivierenden Beschwerden –> Koloproktoskopie
  • Wichtigste Massnahme ist die Stuhlregulation
    • Obstipation: Ballaststoffe, Trockenobst, Mucilar®, Movicol®
    • Diarrhö: Banane, Leinsamen, Mucilar®
      Beachte: DD wie Laktoseintoleranz, Fruktoseüberkonsum (Früchte, Säfte, Smothies, Zuckerersatzstoffe), chronisch entzündliche Darmerkrankung bedenken!
  • Bei a- oder oligosymptomatischen Hämorrhoiden muss nicht auf eine interventionelle Behandlung gedrängt werden. 

Grad I

  • O. g. Basismassnahmen
  • Kurzfristig können ev. Suppositorien entzündliche Symptome lindern
    • Scheriproct®, Faktu® (auch in SS nicht kontraindiziert)

Grad II  

  • Gummibandligatur: Therapie der Wahl, falls konservative Massnahmen nicht ausreichen und Hämorrhoiden nicht zirkulär; längerfristig chirurgischen Verfahren unterlegen!
  • Alternative Verfahren: Sklerosierung der Hämorrhoiden oder zuführender Hämorrhoidalarterien, Infrarotkoagulation

Grad III

  • Chirurgische Therapieverfahren zeigen beste Langzeiterfolge und akzeptable Komplikationsraten
    • Segmentärer Hämorrhoidalvorfall: Hämorrhoidektomie (nach Milligan-Morgan und Ferguson)
    • Zirkuläre Hämorrhoiden: Stapler-Hämorrhoidopexie (nach Longo)

Grad IV

  • Bei akuter Thrombosierung oder Inkarzeration (beides sehr selten!)
    –> lokale konservative Therapie mit Antiphlogistika und Analgetika (Restitutio i. d. R. innert wenigen Wochen)
  • Bei sehr schmerzhafter inkarzerierter Hämorrhoide kann unverzüglich in Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose reponiert werden
  • Operative Entfernung des Hämorrhoidalgewebes möglichst nicht im akuten Zustand
  • DD: Ödematöse Mariske, partieller Schleimhautprolaps, Perianalvenenthrombose

Hämorrhoiden während der Schwangerschaft

  • Chirurgische Behandlung ist kontraindiziert
  • Spontanen Verlauf nach der Entbindung abwarten!
  • Therapie: Lindernde Massnahmen (Suppositorien, Stuhlregulation)

Marisken

  • Keine krankhafte Bedeutung, können ev. bei Analhygiene oder kosmetisch störend sein
  • Bei normalem Stuhlverhalten meist asymptomatisch, gelegentlich irritiert (mechanisch/chemisch) durch häufige Reinigung oder Kontaktallergie (z. B. Hygienetücher)
  • Bei entsprechender Grösse und Beschwerden chirurgische Resektion möglich

Perianalvenenthrombose

  • Unvermittelt auftretendes, teils sehr starkes Druck- und Spannungsgefühl und Bildung eines schmerzhaften bläulich-lividen Knotens am Analrand
  • Eine frische Thrombose blutet nicht, ausser im Falle einer spontanen Perforation
  • Meist komplette Rückbildung ohne Therapie innert Tagen bis Wochen
  • Bei livider, prallelastischer Schwellung in den ersten ein bis zwei Tagen ist nach radiärer Lokalanästhesie eine Entlastung durch Stichinzision möglich, aber nicht unbedingt erforderlich
  • In den allermeisten Fällen reicht eine konservative Therapie: Systemische NSAR (für wenige Tage), ggfls. Xylocain® Gel 2 %, ev. Sulgan®/Bepanthen® Salbe und Stuhlmodulation

Analfissur

  • Akute Fissur: Teilweise sehr heftiger, schneidender Schmerz bei Defäkation und darüber hinaus anhaltend; Blutung. Die Anamnese ist typisch und daher wegweisend!
  • Chronische Fissur: Oft symptomarm, rezidivierende Blutungen
  • Inspektion, vorsichtiges beidhändiges Spreizen der Nates; praktisch immer bei 6 h oft in der Tiefe gelegen und nur bei guter Beleuchtung zu sehen
  • Akute Fissur: Hochdolent, digitale Untersuchung dann meist nicht möglich
  • Bei starken Schmerzen und typischer Anamnese kann initial auf eine digitale Untersuchung und Proktoskopie verzichtet werden
  • Chronische Fissur: Blasse, teilweise breite Narbe, oft mit Vorpostenfalte (sog. Wächtermariske), kann völlig indolent sein
  • Differentialdiagnose: Z. B. perianaler Abszess, selten Malignome
  • Schmerztherapie (z. B. NSAR in der Akutphase, topisches Xylocain® Gel vor sonst schmerzhafter Defäkation)
  • Stuhlregulation (Ziel: Weiche Konsistenz, Frequenz nicht zu oft und nicht zu selten)
  • Topische Therapie (Behandlungsdauer oft einige Wochen)
    • Rectogesic®: 3 x/d auf Fissur und Sphinkter; Vorteil: In meisten Apotheken vorrätig; Nachteil: Nitro-bedingte Kopfschmerzen kurz nach Anwendung
    • Magistralrezeptur mit Nifedipin 0,5 % in Excipial Creme und 1 % Lidocain (CHF 33.65)
  • Bei Therapieversagen (keine Besserung nach > 4–8 Wochen)
    –> Vorstellung beim Proktochirurgen zur Fissurexzision
  • Salbenbehandlung: Etwa jeder zweite erleidet Rezidive
  • Chirurgische Exzision: Erfolgsrate 80–90 % nach Fissurexzision
  • Der Erfolg der konservativen Therapie hängt von der Stuhlregulation ab

Perianaler Abszess

  • Innert Tagen auftretende perianale Schmerzen, oft auch perianale Rötung und Überwärmung
  • Anamnese: Rezidiv? Anhaltspunkte für M. Crohn oder Fistel?
  • Untersuchung: Oft Blickdiagnose (Rötung, Schwellung, Schmerz), bei frühen Stadien oder intersphinktärer Lage teilweise noch unauffälliger Inspektionsbefund, ggfls. kurzfristige Reevaluation
  • Sonographie (perianal, Endosonographie), Becken-MRI (insb. bei Verdacht auf komplizierte Fistelverläufe)
  • Acne inversa
  • Perianale Haarfollikelentzündungen (ohne Verbindung zum Analkanal)
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankung Typ M. Crohn
  • Infizierter Sinus pilonidalis
  • Analabszesse bedürfen immer einer chirurgischen Entlastung

 

Analekzem

  • Je nach Akuität Erythem, Papeln, Seropapeln, Bläschen, Erosionen, Lichenifikation
  • Irritativ-toxisch: Durch Störung der Feinkontinenz, häufige Reinigung (bei hoher Stuhlfrequenz), bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung, proktologischer Erkrankung (Hämorrhoiden, Fisteln, Feigwarzen, Marisken), übertriebener Analhygiene
  • Infektiös: Windelekzem, Staphylokokken, Streptokokken, Candida, Oxyuren
  • Allergisches Kontaktekzem: Bis zur Sensibilisierung können Jahre vergehen!
  • Andere dermatologische Erkrankungen
    • Psoriasis in der Rima ani
    • Neurodermitis, Condylomata accuminata, Lichen ruber, M. Paget, M. Bowen, Infektionen (Chlamydien, Gonokokken)
    • Neoplasien des Anoderms, insb. Analkarzinom (z. B. bei MSM mit HPV-Infekt, HIV)
    • DD Vitiligo
  • Anamnese (Stuhlfrequenz, -konsistenz, Inkontinenz, Externa?), Untersuchung
  • Mikrobiologie
    • Hautabstrich bei längerem Verlauf: DD Standortflora oder Infekt (Staph/Strept; Candida; STD)?
    • Bei V. a. Oxyuren (Kontakt mit Kleinkindern) morgendliches Abklatschpräparat (durchsichtiger Klebestreifen auf Objektträger)
  • Bei Persistenz ev. histologische Abklärung
  • Optimierung der Analhygiene
    • Normalisierung der Stuhlfrequenz und -konsistenz
    • Reinigung mit weichem WC-Papier ohne Zusatzstoffe
    • Wasser (Dusche, Dusch-WC)
    • Externa meiden (z. B. in Feuchttüchern, Seifen, Salben)
  • Behandlung der Grundkrankheit (s. o.)
    • Ohne Infekt: Ggfls. für wenige Tage topische Steroide (Advantan®, Alfacorton®)
    • Mit Infekt: Je nach Erregergruppe (Fucidin/Fucicort®, Mycolog® Creme)
  • Später Excipial®/Optiderm®/Bepanthen® und im Bedarfsfall Cold Cream zur Linderung des Juckreizes
  • Zum Oberflächenschutz bei Diarrhö: Bepanthen® Salbe, Zinkpaste (Oxyplastin® Wundpaste, Wundschutzcreme von Lavera oder Cavilon®)

Pruritus ani

  • Perianaler Juckreiz
  • Reaktionsform „gestresster“ perianaler Haut auf zahlreiche Einflüsse: Zu häufiger Stuhlgang, zu viel Reinigung (irritiativ oder Austrocknung), zu viel Externa, Analekzem
  • Anamnese der Risikofaktoren
  • DD ausschliessen (Analekzem, Infekt, Inkontinenz)
  • Bei V. a. Oxyuren (Kontakt mit Kleinkindern) morgendliches Abklatschpräparat (durchsichtiger Klebestreifen auf Objektträger)
  • Information des Patienten: Weniger ist oft mehr!
  • Ggfls. ursächliche Behandlung bei Infekt (antiinfektiös), Stuhlkonsistenz,
    -frequenz (Leinsamen, Antidiarrhoika, Stuhlmodulation), Mikroinkontinenz (Hämorrhoidenbehandlung)
  • Patientenbroschüre Analhygiene bei der Magen-Darm-Liga erhältlich
     

Proctalgia fugax

  • Plötzlich auftretende, heftige, ziehende oder stechend-schneidende Schmerzen im Bereich des Anus. Dauer: Oft nur einen kurzen Moment, zwischen den Episoden keine Symptome
  • Frauen sind häufiger betroffen als Männer
  • Die Proctalgia fugax kehrt in unregelmässigen Intervallen von Wochen oder Monaten wieder
  • Ergibt sich aus der Anamnese
  • DD ausschliessen (Hämorrhoidalleiden, CED, Abszess, Kokzygodynie?)
  • Information und Reassurance des Patienten
  • Aufgrund der Kürze und der geringen Frequenz der Episoden kommen medikamentöse Therapieversuche (Nifedipin Salbe, Ventolin® Inhalation) jeweils zu spät

Sexuell übertragbare Krankheiten (STD)

  • Analer Juckreiz, diffuses anales Unwohlsein, rektaler Ausfluss, Diarrhö, Warzen können Symptome von STI mit Manifestation im Rektum, endoanal oder perianal sein
  • Rezeptiver Analverkehr, ungeschützter GV, Anzahl der Sexualpartner machen STI wahrscheinlicher
  • „Dran denken“, explizite Anamnese, Risikoverhalten?
  • Inspektion: Condylomata accuminata?
  • Abstrich für PCR auf Chlamydien und Gonokokken, bei Nachweis eines Ulkus (DD: Fissur) auch auf Lues, bei Bläschen z. B. auf Herpes
  • Falls eine STI nachgewiesenwird, müssen auch die anderen STD gesucht, ausgeschlossen oder behandelt werden; Partnerbehandlung

Neoplasien

  • Unspezifisch, deshalb werden initial 50 % der Analkarzinome als gutartige Haut- oder Schleimhautveränderungen fehldiagnostiziert
  • Dran denken, insbesondere bei Patienten aus den Risikokollektiven
  • Mittels Färbung, bioptisch, anales Mapping durch den Proktologen, bildgebend

Vollversion

Autoren: Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 06/2023

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