Schlafstörungen

Allgemeine Diagnostik

  • Zuhilfenahme von Schlaffragebögen oder Schlaftagebüchern
  • Schlafstörende Substanzen gezielt abfragen
    • Koffein, Alkohol- und andere Rauschmittel (z. B. Amphetamine, Ecstasy), Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer), antriebssteigernde Antidepressiva, Blutdruckmittel (z. B. Betablocker, insbesondere Metoprolol), Sedativa, Diuretika, Hormonpräparate (z. B. Thyroxin, Steroide), Antiepileptika, Analgetika (z. B. NSAR)
  • Risiko-/Lifestylefaktoren für Schlafstörungen
    • Diabetes, arterielle Hypertonie, zu langer Mittagsschlaf (z. B. bei Demenz)
    • Organische, psychiatrische und psychosoziale Diagnosen
    • Sportliche Betätigung abends, Medienkonsum
  • Einfache Fragen zum Ausschluss anderer Ursachen
    • Schnarchen Sie? Sagt Ihr Bettpartner, dass Sie aufhören zu atmen? –> OSAS
    • Zucken Ihre Beine und können Sie sie nicht still halten –> RLS oder PMLS
    • Schlafen Sie tagsüber plötzlich ein? Kollabieren Sie oder haben Sie extreme Muskelschwäche in emotionalen Situationen (z. B. beim Lachen)? –> Narkolepsie
    • Schlafen Sie gut, aber zu den falschen Zeiten –> Zirkadiane Schlafrhythmusstörung
    • Gefährliche oder unübliche Handlungen während des Schlafes –> Parasomnie
  • Bei chronischen, therapierefraktären Insomnien (keine Hypnotikatherapie länger als 3 Monate!) und bei Verdacht auf schlafbezogene Bewegungs- oder Atmungsstörungen, ausserdem bei Hypersomnien (idiopathische Hypersomnie, Narkolepsie)

 

Insomnien

Ein- und Durchschlafprobleme und/oder schlechte Schlafqualität, gestörte Tagesbefindlichkeit, beeinträchtigte Alltagsaktivitäten und Leistungsfähigkeit (obligat, sonst keine weiteren Abklärungen und Therapien). Zur allgemeinen Abklärung siehe Abschnitt Allgemeine Diagnostik

Nichtmedikamentöse Therapie

  • Schlafberatung, Schlafhygiene verbessern ­–>s. a. mediX Gesundheitsdossier Schlaf
  • Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren: Entspannungsübungen (autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitstraining), spezifisch: U. a. Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion (feste Bettzeit), Paradoxe Intervention, Selbsthypnose/Hypnose

Medikamentöse Therapie (max. 4–5 Wochen)

Nur wenn nichtmedikamentöse Therapie ohne Nutzen!

Medikamente gemäss Problem

Einschlafstörung

  • Mirtazapin (Remeron® und Generika) 7,5 mg, Trazodon (Trittico® und Generika), 25–50mg (macht meist keine Gewichtszunahme)
  • 2. Wahl: Zolpidem (Stilnox® und Generika) und Zopiclon (Imovane® und Generika)
  • Ev. Melatonin (ab 55 J.), jedoch kaum wirksam

Durchschlafstörung oder frühes Aufwachen

  • Doxepin (3–6 mg), Mirtazapin 15 mg (hat nach klinischer Erfahrung oft eine inverse Dosis-Wirkungs-Beziehung in Bezug auf Schlaf)
  • Trazodon (25–50 mg), Trimipramin (25–50 mg): Im klinischen Alltag oft gutes Ansprechen (Off-label)
  • Temazepam (10–20 mg) und Zolpidem CR (6,25–12,5 mg) nur 2. Wahl

Aufwachen in der Mitte der Nacht und erschwertes Einschlafen

  • Zolpidem, wenn noch mindestens 4 h geschlafen werden kann. Achtung: Bei später Einnahme ist die Fahreignung am nächsten Morgen nicht gegeben!

Durchschlafstörungen bei polymorbiden Patienten, kognitiven Störungen, Depression, OSAS und COPD

  • Mirtazapin (30 mg), Trazodon (25–50 mg); 2. Wahl: Quetiapin (Seroquel® und Generika). Bei Depressionen helfen Antidepressiva, die morgens gegeben werden, um den Schlaf zu verbessern

Schlafstörungen bei RLS als Komorbidität

  • Gabapentin (Off-label)

Benzodiazepine

  • Niemals als Dauertherapie und ohne Verhaltenstherapie, ev. kurzzeitig 8–14 Tage (max. 4 Wochen) in geringst möglicher Dosierung, ausschleichend absetzen
  • NW/Risiken: U. a. Sturzgefahr, Toleranzentwicklung, Missbrauch/Abhängigkeit, paradoxe Stimulation, emotionale Abstumpfung bei Langzeitgebrauch; erhöhte Mortalität
  • Das Missbrauchspotential der „Z-Medikamente“ Zolpidem/Zopiclon unterscheidet sich nicht von dem der Benzodiazepine!
  • Mittellang wirksame Benzodiazepine z. B. Lormetazepam (Loramet®) oder Temazepam (z. B. Normison®) oder einen Vertreter der „Z-Drugs“ sind nur Second-Line-Medikamente
  • Keine langwirksamen Benzodiazepine (z. B. Flurazepam, Flunitrazepam, Nitrazepam) wegen Hang-over-Effekten
  • Keine Hypnotika bei Medikamenten-, Drogen-, Alkoholabhängigkeit!
  • Ausschleichend über mehrere Tage absetzen – je nach Dauer der Vortherapie
  • Schemata zur langsamen Benzodiazepin-Entwöhnung –> Benzodiazepin-Entzug

Sedierende Antidepressiva (off label)

  • Wirksamkeit gegen potenzielle NW streng abwägen – v. a. bei Älteren! Mit tiefer Dosis beginnen!

Medikamente

  • Mirtazapin (Remeron®) als Firstline-Präparat
  • Trazodon (Trittico®), gemäss klinischer Erfahrung oft gut wirksam trotz fehlender Studienevidenz
  • Trimipramin (Surmontil®) oder Opipramol (Insidon®) können helfen. Evidenzlage ist jedoch ungenügend für alle trizyklischen Antidepressiva
  • Trazodon 50 mg ist bei Demenz hilfreich

Neuroleptika (off label)

  • Wegen zu hoher Risiken nicht empfohlen (z. B. Blutdruckabfall)
  • Keine Studien bei Patienten mit primärer Insomnie. Ggfls. Quetiapin 12,5–25 mg bei psychotischen oder agitierten Patienten (z. B. bei Demenz)

Melatonin

  • Zugelassen ab 55 Jahre, kann bei Tag-Nacht-Umkehr und bei Insomnie älterer Patienten (ohne ursächliche Komorbidiät) versucht werden (Effekte wahrscheinlich eher gering)

Phytotherapeutika, Komplementär- und Alternativmedizin

  • Phytotherapeutika können als Placebos sinnvoll sein
  • Achtsamkeitstraining, Akupunktur, Aromatherapie, Hypnotherapie, Lichttherapie, Massage, Musiktherapie, Reflexzonenmassage, Yoga, Tai Chi, Chi Gong mit geringem oder schwierig zu beurteilenden Nutzen

Sedierende Antihistaminika

  • Können aufgrund der Datenlage nicht empfohlen werden, erhöhen Tagesmüdigkeit. Beispiele: „Alte“ Antihistaminika wie Diphenhydramin (z. B. Benocten® 50 mg) oder Doxylamin (z. B. Sanalepsi N® -Tropfen 25–50 mg)
  • Ausnahme: Bei Schlafstörung und Juckreiz Hydroxyzindihydrochlorid (Atarax®) 37,5–75 mg/d

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)

Leitsymptome

  • Tagesschläfrigkeit mit Einschlafneigung (OSAS häufig Ursache von Hypersomnie!), Schnarchen, nächtliche Atempausen, Schlafstörungen

Weitere häufige Symptome

  • Kognitive Defizite, mangelnde Leistungsfähigkeit, Persönlichkeitsveränderungen, depressive Verstimmung, Gereiztheit, morgendlicher Kopfschmerz, Impotenz

Anamnese/Fragebogen

Ausserdem fragen nach

  • Genussmittel, Drogen, komorbide Erkrankungen, die Schlaf und Atmung beeinträchtigen können
  • Medikamente: Sedativa, Hypnotika, Narkotika, Muskelrelaxanzien, zentral angreifende Sympathikolytika, Neuroleptika

Klinische Untersuchung und Funktionstests

  • Allgemeine klinische Untersuchung (Adipositas, Rachenverhältnisse etc.) inkl. Puls- und BD-Messung
  • Nackenumfang bei Männern > 43 cm, bei Frauen > 40 cm ist – nebst BMI (> 30 kg/m2) prädiktiv für OSAS
  • Bei V. a. Polypen, Tonsillenhyperplasie etc. –> Überweisung ORL

Schlafabklärungen

  • Bei exzessiver Tagesschläfrigkeit oder Schnarchen und mindestens 2 weiteren Symptomen
  • Falls in HA-Praxis vorhanden: Ambulante nächtliche Pulsoxymetrie
  • Polygraphie/Polysomnographie zur Sicherung der Diagnose und zur DD von anderen Schlafstörungen und schlafbezogenen Atmungsstörungen (z. B. zentrales Schlafapnoe-Syndrom). Zuvor immer ESS- und NoSAS-Score bestimmen!

Beachte: Wenn eine Schlafapnoe unwahrscheinlich ist, ist eine Schlaflaborabklärung nicht erforderlich!  

  • Gewichtsreduktion, Sport, Medical Didgeridoo, ev. Schlafposition ändern (Keilkissen), Alkohol vermeiden
  • CPAP ist Goldstandard (Ersteinstellung im Schlaflabor); Muskeltonustraining, Unterkieferprotrusionsschienen und chirurgische Intervention, wenn CPAP erfolglos

Beachte: Das Ansprechen auf CPAP ist durch die Tagesschläfrigkeit gegeben und unabhängig vom Vorliegen einer arteriellen Hypertonie!

Restless-Legs-Syndrom (RLS)

Symptome

  • Bewegungsdrang und Missempfindungen der Beine (selten auch Arme): Auftreten oder Verschlechterung in Ruhe sowie abends und nachts
  • Sensorische Beschwerden (oft): Z. B. Kribbeln, Reissen, Stechen, Druckgefühl, Schmerzen, Bewegungsdrang durch Umherlaufen gemindert/behoben

Risikofaktoren

  • Assoziiert mit anderen Erkrankungen z. B. M. Parkinson, Multiple Sklerose, Urämie, rheumatische Erkrankungen, Neuropathien, Urämie, Eisenmangel

Labor

  • Ferritin, Kreatinin, BZ

Schlaflabor nicht routinemässig, aber

  • Bei Patienten, deren Diagnose unklar ist oder die eher periodische Beinbewegungen haben (PLMS) oder die nicht auf eine dopaminerge Therapie ansprechen
  • Patienten, die Tagesschläfrigkeit als Leitsymptom haben, jedoch nur eine gering ausgeprägte RLS-Symptomatik
  • Nicht medikamentöse Behandlungsversuche wie Bewegung der Gliedmassen vor dem Schafengehen, warme oder kalte Bäder, Massagen oder Dehnungsübungen, sind allein meist nicht ausreichend

Medikamente bei internittierenden Beschwerden

  • 0,5–1 Tbl. nichtretardiertes L-Dopa (100/25 mg L-Dopa/Benserazid, Madopar®) 1 h vor dem Schlafengehen bzw. vor Auftreten der abendlichen Beschwerden. Bei Durchschlafstörungen zusätzlich retardiertes L‑Dopa (100/25 mg retardiertes L-Dopa/Benserazid, Madopar DR®)
  • Nebenwirkungen: Augmentation der RLS-Beschwerden (früheres Einsetzen und Intensitätszunahme der RLS-Beschwerden, Einbeziehung anderer Körperteile)
  • Clonazepam (Rivotril®) bei jüngeren Patienten

Bei chronischen Beschwerden

  • Bei Adipositas, respiratorischer Erkrankung, Depression, Ganginstabilität –> nicht-ergoliner Dopaminagonist: Ropinirol (Requip® und Generika), Pramipexol (Sifrol®), Beginn mit 0,125 mg 2 h vor dem Schlafengehen; Rotigotin (Neupro®) 24 h-Pflaster (vom Neurologen verschrieben)
  • In allen anderen Fällen –> prioritär Kalziumkanal-alpha2-delta-Liganden Gabapentin 100–300 mg oder Pregabalin (Lyrica®) 50–75 mg
  • Hinweis: Bei unzureichender Wirksamkeit Wechsel auf die jeweils andere Substanzklasse.
  • In SS: Magnesium und Eisen substituieren, physikalische Massnahmen, ab 3. Trimenon Rivotril® oder Lyrica®.

Vollversion

Autoren: Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 05/2022

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